ÖSTERREICHISCHE BÜRGERINITIATIVE |
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Partner der
deutschen Bundesinitiative „Daheim
statt Heim“ |
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c/o Gerhard Lichtenauer, Ing. Tel: 0699 12490010 Fax:
07477 490015 |
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Österreichisches Assistenzleistungsgesetz (ALG) - Eckpunkte
In der Behindertenpolitik hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen. Menschen mit Behinderung werden nicht weiter als „Fürsorgeobjekte“ betrachtet, sondern als selbstbestimmte Menschen mit gleichen Rechten wahrgenommen.
Ausdruck fand dieser Paradigmenwechsel ganz wesentlich erstmals im österreichischen Bundespflegegeldgesetz (1993), das eine bedarfsorientierte Geldleistung für nötige Assistenzleistungen vorsah, mit dem Zweck, "pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen." In der real existierenden Umsetzung dieses Bundesgesetzes wurde diese Intention des Gesetzgebers nach inzwischen 14 Jahren leider mehr als verfehlt.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein war das 1997 in die österreichische
Bundesverfassung (Artikel 7) aufgenommene Benachteiligungsverbot als Staatszielbestimmung.
Dort heißt es:
”Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung
von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen
Lebens zu gewährleisten.”
Das mit einigen Abstrichen seit 2006 bestehende Bundes- Behindertengleichstellungsgesetz soll Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen verhindern oder beseitigen und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen.
Diese zum Teil erfreulichen Entwicklungen auf gesetzlicher Ebene benötigen jedoch dringend Korrekturen und Weiterentwicklungen um die vielfältig, weiterhin bestehenden Benachteiligungen aufgrund Behinderung wirksam auszuräumen und Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen zu sichern.
Die bisher erreichten und in Umsetzung befindlichen Rahmenbedingungen reichen bei Weitem nicht aus, Benachteiligungen zu kompensieren und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Viele Menschen mit Behinderung brauchen nicht nur eine barrierefreie Umwelt oder lediglich Schutz im zivilrechtlichen Bereich, sondern auch Assistenz bei alltäglichen Verrichtungen wie Körperpflege, Ausübung des Berufes, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft etc. Die meisten dieser Menschen haben jedoch nur eingeschränkte Möglichkeiten ihr Leben gleichberechtigt in der Gesellschaft zu führen, da sie oftmals nur die Wahl zwischen einem sehr eingeschränkten Leben in einem Heim oder im Rahmen der Familien haben.
„Persönliche Assistenz“ für Menschen mit Behinderung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten, gleichwertigen und gleichberechtigten Leben in der Gemeinschaft.
Die ausschlaggebende Rolle, die persönliche Assistenz im Leben von Menschen
mit Behinderungen spielt, ist bereits in mehreren internationalen Grundsatzpapieren
anerkannt und ausgeführt worden.
So regeln zum Beispiel die „Rahmenbestimmungen für die Herstellung
von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen“ der
Vereinten Nationen in Bestimmung 4, Leistungsangebote:
Die Staaten sollen für den Aufbau und die Bereitstellung von Leistungen,
einschliesslich Hilfsmittel, sorgen, damit Menschen mit Behinderungen in ihrem
täglichen Leben ein grösseres Mass an Selbständigkeit erreichen
und ihre Rechte ausüben können.
Ein weiteres Grundsatzpapier ist die „UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung“ (2007) Dieses Menschenrechtsdokument hält fest, "dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind" und dass Menschen mit Behinderungen "der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden muss" In Artikel 19 dieser Konvention wird festgehalten, dass "Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Wohnsitz zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben". Also keine Heime und mehr Unterstützung in der selbst gewählten Wohnform. Konkret ist gefordert: "Zugang zu einer Reihe von häuslichen, institutionellen und anderen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in und der Teilhabe an der Gemeinschaft sowie zur Verhütung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist".
Es gibt allerdings sehr viele Gesetze, Verordnungen etc., die das Leben für Menschen mit Behinderung einschränken und sie somit eher abhängiger als unabhängiger machen. (Beispiele: Einkommensgrenze, Unterhaltspflichten, die über die von nicht behinderten Kindern hinausgehen)
Von daher fordern wir für Menschen mit Behinderungen ein eigenes Assistenzleistungsgesetz, damit Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am Leben in der Gemeinschaft teilnehmen können. Ein Assistenzleistungsgesetz stellt in unseren Augen eine Grundbedingung zur Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung dar.
Unsere Eckpunkte orientieren sich unter anderem an den Richtlinien des Europäischen
Kompetenzzentrums für persönliche Assistenz (ECEPA) und an den Inhalten
der schwedischen Assistenzreform von 1994.
Personen mit Behinderungen sind in verschiedensten Bereichen des täglichen Lebens auf die Assistenz durch andere angewiesen, z.B. bei der Körperpflege, beim Essen, Anziehen, der Hausarbeit, aber auch ausserhalb der Wohnung, am Arbeitsplatz genauso wie in der Freizeit, der Kommunikation, der Tagesstrukturierung oder ähnlichen kognitiven oder psycho-sozialen Aufgaben.
„Persönliche Assistenz“ bedeutet:
So ermöglicht eine erfolgreiche Politik der persönlichen Assistenz den Betroffenen unter anderem, Dienstleistungen ihrer Wahl bei verschiedenen Anbietern einzukaufen oder als Arbeitgeber/in selbst Assistent/innen anzustellen, zu schulen, deren Einsatzplan festzulegen, sie zu beaufsichtigen und, falls notwendig, auch zu entlassen. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet „persönliche Assistenz“, dass Assistenznehmende Kunden bzw. Vorgesetzte sind.(siehe 2)
Kinder, so wie Assistenznehmer/innen mit kognitiven oder psycho-sozialen Einschränkungen, benötigen eventuell Hilfe von Dritten, die sie in in Ihrer eingeschränkten Selbstbestimmungsfähigkeit unterstützen, um diese Aufgaben ausführen zu können.(siehe 3)
Der Begriff „persönliche Assistenz“ ist nicht angebracht für Dienstleistungslösungen, bei denen Wohnen und Assistenz als untrennbares Paket, z.B. in stationären Einrichtungen wie so genannten „Heimen“ und institutionellen „Wohngemeinschaften“ angeboten werden.
Sehr wohl muss aber eine Verknüpfung von „wohnen und Assistenz“ in
selbst gewählten (also echten) Wohngemeinschaften bzw. im Wohnverband
mit Angehörigen oder nahe stehenden Personen kein Widerspruch sein, sondern
kann mitunter der ideale Rahmen für die nötigen Unterstützungsleistungen
sein.
Die Gesetzgebung eines Staates zur persönlichen Assistenz muss Hand in
Hand gehen mit einer Politik des barrierenfreien Bauens, insbesondere im Wohnungsbau,
um die Abschiebung von Menschen mit erheblichen Behinderungen in aussondernden
Institutionen nach und nach abzubauen und ihnen zu ermöglichen, selbstbestimmt
inmitten der Gesellschaft zu leben und vollumfänglich an ihr teilzunehmen.
Ein persönlicher Anspruch
Empfänger/innen haben unabhängig von der finanziellen Situation der Kostenträger bzw. der Auszahlungsstelle einen Rechtsanspruch auf die Finanzierung ihrer persönlichen Assistenz.(siehe 4)
Barleistung beziehungsweise direkte Bezahlung sind unverzichtbar für die Selbstbestimmung der Assistenznehmer. Diese Mittel müssen sie eigenständig einsetzen können, um Leistungen von den von ihnen gewünschten Anbietern, von angestellten Assistenten oder auch Familienmitgliedern zu bezahlen.
Die direkte Bezahlung schafft einen Markt konkurrierender Anbieter und macht
den Assistenznehmer zum Kunden, der auswählen und Qualität verlangen
kann.
Sachleistungen nehmen hingegen den Assistenznehmern die Möglichkeit der
Auswahl, indem sie die Wahl auf bestimmte, oft monopolistische Anbieter, beschränken
und die Betroffenen geographisch, häufig sogar an Gebäude, binden.
Sachleistungen erlauben den Assistenznehmern nicht eigene Verantwortung für
kosteneffektive Lösungen zu übernehmen.
Barleistungen dagegen, ermöglichen den Einzelnen ihre Assistenz entsprechend ihres Bedarfs und ihrer Präferenzen einzuteilen und zu gestalten und so ihr Budget bestmöglich zu nutzen. Kurz gesagt, während Sachleistungen die Assistenznehmer noch abhängiger machen, bedeutet direkte Bezahlung ein großes Stück mehr Freiheit.
ECEPA: Sie sind nicht versteuerungspflichtig und wirken sich nicht auf andere Ansprüche bzw. Zuwendungen aus.
Dabei wird vom maximal Benötigten ausgegangen: Braucht jemand z. B. in bestimmten Situationen 24 Stunden, ansonsten i. d. R. nur 20, so werden 24 Stunden genehmigt. Denn lt. Gesetz ist die individuelle Situation in ihrer Gesamtheit ausschlaggebend, um gute Lebensqualität zu sichern.
Bei persönlicher Assistenz für schwerst mehrfachbehinderte Menschen
ist je nach Schwere von kognitiven Beeinträchtigungen bzw. der eingeschränkten
Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeiten des Assistenznehmers, eine "Hilfe
in der Selbstbestimmung" die einzig zweckmäßige Form der Ergänzung
von mangelnder Eigenverantwortungs- Kompetenz oder Selbstbestimmungs- Äußerungsfähigkeit.
Diese Unterstützung ist nur bei bester Kenntnis und oftmals nur mehr durch
Erspüren der Bedürfnisse z.B. bei „basalen“ Menschen
oder durch gestützte Kommunikation bei vollständig gelähmten
bzw. mehrfach sinnesbehinderten Menschen möglich. Der dazu fähige,
sehr vertraute Personenkreis nimmt sozusagen als Sprachrohr des Betroffenen
dessen "Selbstbestimmung" wahr und bringt sie zum Wohl und im Sinne
des Hilfsbedürftigen zum Ausdruck und handelt danach.
Eine Kompetenz für diese, als der "Selbstbestimmung im engeren Sinn" gleich
zu achtende "Vertretung in der Eigenverantwortung" kann oft nur durch
intensives Zusammenleben erlangt werden. Es ist daher in Einzelfällen
kein Widerspruch, wenn Nahestehende sowohl Sprachrohr, als auch Assistenten
des Betroffenen sind.
(1) Rahmenbedingungen
für die Herstellung der Chancengleichheit für Behinderte, angenommen
von der Generalversammlung der Vereinten Nationen, 48. Sitzung, Resolution
48/96, Anhang, vom 20.Dez.1993
www.un.org/esa/socdev/enable/dissre00.htm (engl.).
Inoffizielle Übersetzung aus dem Englischen durch ZSL Zürich
(2) Andere Definitionen erfordern die Fähigkeit, allein oder gemeinsam mit Anderen Assistenz anzustellen, zu schulen und als Vorgesetzte aufzutreten. Diese Voraussetzungen schränken den Personenkreis, für den ein solches Konzept in Frage kommt, stark ein. In der vorliegenden Richtlinie liegt das Schwergewicht daher darauf, dass die jeweilige Person frei auswählen kann aus einer Vielfalt von Angeboten mit einer grossen Bandbreite unterschiedlicher Grade von Verantwortung über das alltägliche Funktionieren der Dienstleistungen. Auf diese Weise werden mehr Menschen von dieser Politik erfasst und haben die Freiheit, als Nutzer/innen Assistenzlösungen in unterschiedlichen Verantwortungsgraden auszuprobieren und Schritt für Schritt in dem ihnen entsprechenden Tempo Fähigkeiten zu entwickeln, grösseren Einfluss auf ihre Dienstleistungen auszuüben.
(3) Das Modell der persönlichen Assistenz bringt auch Vorteile für Bürger/innen, die trotz geeigneter Information, Beratung und anderer Unterstützung nicht in der Lage sind, Dienstleistungen auszuwählen und zu bewerten oder ihre Assistenz selbst anzustellen, vorausgesetzt, sie erhalten die entsprechende Unterstützung von Dritten, wie beispielsweise ihrem gesetzlichen Beistand, Familienmitgliedern oder anderen Personen, die ihnen nahe stehen. Die Kosten dieser Unterstützung müssen übernommen werden, gegebenenfalls durch einen höheren Ansatz für die durchschnittliche Assistenzstunde.
(4) Ein Rechtsanspruch verringert die Abhängigkeit von Veränderungen in der wirtschaftlichen Lage der Kostenträger. Er ermöglicht Nutzer/innen und ihren Familien Planungssicherheit, fördert De-Institutionalisierung und ermutigt Assistenznehmer/innen und ihre Haushaltsmitglieder zum (Wieder-)Eintritt in den Arbeitsmarkt.
Stand: 1. Juni 2007
Grundlage für dieses Positionspapier bilden die "Richtlinien für eine beispielhafte nationale Gesetzgebung für persönliche Assistenz" vom Independent Living Institute aus Schweden (Verfasser: Adolf Ratzka, 2004), wo auch weitere Details eines ALG`s dargestellt sind.
Der Text dieser Eckpunkte zu einem Assistenzleistungsgesetz (ALG) wurde großteils
von der deutschen Vorlage übernommen. Wir danken dem Verein VbA - Selbstbestimmt
Leben e.V.
(www.vba-muenchen.de) für die
freundliche Genehmigung zur Verwendung.
Für den Inhalt verantwortlich:
Günter Schleser, Ing., Salzburg |
Gerhard Lichtenauer, Ing., Weistrach /NÖ |
Mail: schleser@gmx.at |
Mail: gerhard@lichtenauer.at |