ÖSTERREICHISCHE BÜRGERINITIATIVE |
|
Partner der
deutschen Bundesinitiative „Daheim
statt Heim“ |
|
c/o Gerhard Lichtenauer, Ing. Tel: 0699 12490010 Fax:
07477 490015 |
|
Vortrag bei Podiumsdiskussion zu Persönlicher Assistenz am 14. Mai 2007 in München, von Christian Bayerlein, Diplom-Informatiker
Persönliche Assistenz bedeutet einen enormen Gewinn an Lebensqualität, das haben persönliche Beispiele und Erfahrungen während der Konferenz gezeigt. Die Schilderungen meiner Mitreferenten zeigten eindrucksvoll, welche Möglichkeiten sich Betroffenen bieten, wenn die Hilfe von ihnen selbst organisiert wird. Nur so ist ein selbstbestimmtes Leben im umfassenden Sinn möglich.
Immer wieder kommt gerade auch aus der Öffentlichkeit die Frage auf, wie viel persönliche Assistenz den Steuerzahler kostet. Politiker sind verunsichert durch die Frage, wie ein Assistenzleistungsgesetz finanziert werden könnte und schrecken vor möglichen Kosten zurück. Positive Beispiele aus unter anderem den skandinavischen Ländern zeigen aber, dass eine Finanzierung von persönlicher Assistenz durchaus machbar ist, und zwar auch vermögens- und einkommensunabhängig.
Im Folgenden wollen wir uns näher mit den volkswirtschaftlichen Aspekten des Arbeitgebermodells beschäftigen. Makroökonomisch gesehen ist Assistenz mit keinerlei „Kosten“ verbunden. Man redet deswegen auch von Transferleistungen, weil Gelder umverteilt werden, also ein Transfer zwischen den Bürgern des Staates stattfindet. Das Vermögen oder gesamte Einkommen aller Haushalte bleibt aber in der Summe durch eine solche Umverteilung gleich. Es stellt sich also lediglich die Frage, ob ein solcher Transfer gerecht ist und durch diejenigen, denen Geld entzogen wird finanziert werden kann.
Zur Frage, ob eine Umverteilung durch ein Assistenzleistungsgesetz gerecht ist, möchte ich nur ein paar wenige Stichpunkte nennen. Zum einen wird der Paradigmenwechsel von der Fürsorge zur Teilhabe von allen Akteuren der Politik gepredigt, zum anderen ist aber auch ein solcher Wandel in der Sichtweise gesellschaftlich mittlerweile weit verbreitet. Hilfen für behinderte Menschen werden also nicht als Almosen im Rahmen der Fürsorge angesehen, sondern als Ausgleich der Nachteile, die durch eine Behinderung entstehen.
Es ist dann aber nicht nachvollziehbar, warum Menschen mit Behinderung selbst für ihre Hilfen aufkommen müssen, wenn diese Vermögen besitzen, und deshalb auf Assistenz angewiesene Menschen in der Armutsfalle gefangen bleiben. Schließlich ist diese Armutsfalle doch wiederum eine Benachteiligung, die eigentlich durch die Gesetzgebung ausgeglichen werden soll.
Aus Sicht der Chancengleichheit ist es ebenfalls schwer nachvollziehbar, dass behinderte Menschen ihr Einkommen und Vermögen opfern müssen, um ihre Hilfen und damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu finanzieren. Letztendlich ist die Perspektive auf ein Einkommen, dass der persönlichen Leistung entspricht, erst ein Anreiz dafür, sich in die Gesellschaft einzubringen und damit eine Voraussetzung für eine freie Entfaltung der Persönlichkeit und damit für gleiche Chancen im Leben. Durch das Grundgesetz wird aber garantiert, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Außerdem hat jeder Mensch nach dem Grundgesetz ein Recht auf Eigentum und freie Entfaltung der Persönlichkeit. Alle drei Punkte werden aber durch Anrechnung von Einkommen oder Vermögen konterkariert.
Die Frage der Finanzierbarkeit lässt sich mit einem Blick in das Ausland leicht beantworten. In Schweden existiert seit mehr als 10 Jahren ein Assistenzleistungsgesetz, bei dem persönliche Assistenz vermögens- und einkommensunabhängig gewährt wird. Die schwedische Volkswirtschaft ist durchaus vergleichbar mit der Deutschen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass auch hierzulande eine Finanzierung möglich ist.
Ein weiteres Argument, das die Finanzierbarkeit belegt, ist, dass auch jetzt schon die meisten Bezieher von Assistenzleistungen finanziert werden können und die Anrechnung von Einkommen und Vermögen den Haushalt nur minimal entlastet, da behinderte Menschen oftmals sowieso nicht über viel Einkommen und Vermögen verfügen. Vielmehr leben Menschen mit Assistenzbedarf oftmals an der Armutsgrenze und auf Grund der Anrechnung ist es ihnen nicht möglich, ein Vermögen aufzubauen. Durch die komplizierten Vorschriften bezüglich der Anrechnung von Einkommen und Vermögen entstehen aber bisher bereits gewaltige Verwaltungskosten, die die Einsparungen durch die Anrechnung bei den meisten Fällen keinesfalls rechtfertigen.
Von Skeptikern wird oft das Argument verwendet, dass die Zahl der Leistungsempfänger unberechenbar steigen könnte, wenn man auf die Anrechnung von Einkommen und Vermögen verzichten würde, da viele nach den geltenden Anspruchsvoraussetzungen nicht in den Genuss von Leistungen kommen. Hier gilt es aber, effektive Instrumente zu finden, um den Kreis der Anspruchsberechtigten durch andere Kriterien einzugrenzen oder einen entsprechenden Kostenausgleich zu schaffen. Steht z. B. ein anderer Kostenträger, beispielsweise eine Versicherung zur Deckung der Kosten zur Verfügung, so ist es durchaus sinnvoll, diese als vorrangig zu behandeln. Auch Beeinträchtigungen, die durch das normale Altern verursacht werden, müssten nicht unbedingt durch das Gesetz abgedeckt werden. In Schweden gibt es z. B. die Regelung, dass nur solche Personen anspruchsberechtigt sind, deren Behinderung vor einem bestimmtem Alter eingetreten ist.
Wir wollen nun kurz betrachten, welche Umverteilung ein Assistenzleistungsgesetz zur Folge hat. Oberflächlich betrachtet erhält der Leistungsempfänger Geld vom Staat – und damit von seinen Mitbürgern – und verwendet dies zur Finanzierung seiner Assistenz.
Auf dem ersten Blick erscheint es also so, dass dem Staatshaushalt in der Höhe des gesamten Hilfebedarfs aller Leistungsberechtigten Geld durch die Leistung entzogen wird. Betrachtet man aber die übliche konkrete Verwendung der Gelder, so wird deutlich, dass diese Rechnung nicht aufgeht.
Verwendet ein Leistungsempfänger die Leistung zur Finanzierung von persönlicher Assistenz nach dem Arbeitgebermodell, so werden davon die Löhne und Gehälter der AssistentInnen finanziert. Die Lohnkosten fließen zur Hälfte direkt über die Sozialversicherung und Steuern zurück in den staatlichen Kreislauf. Dieser Anteil dient also direkt der Erhaltung der sozialen Sicherungssysteme bzw. der Stärkung des Staatshaushalts.
Neben den direkten Kosten, die durch ein Assistenzleistungsgesetz „verursacht“ würden gilt aber auch zu betrachten, welche weiteren Effekte ein Assistenzleistungsgesetz nach sich zieht, die die ökonomische Wohlfahrt der Gesellschaft beeinflussen.
Ein offensichtlicher Effekt ist, dass durch persönliche Assistenz Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese Arbeitsplätze sind tatsächlich zusätzlich, es fallen an keiner anderen Stelle außerhalb der Behindertenhilfe Arbeitsplätze weg. Die Mittel, die ansonsten im Rahmen der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung oder der Grundsicherung für Arbeitsfähige entstehen würden, gäbe es diese Arbeitsplätze nicht, können positiv bilanziert werden. Außerdem wird durch die zusätzlichen Arbeitsplätze der Konsum angekurbelt, denn die zusätzlichen Arbeitnehmer konsumieren natürlich mehr, als wenn diese lediglich von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II leben müssten. Man kann sogar davon ausgehen, dass der größte Anteil der Nettoeinkommen von persönlichen AssistentInnen in den Konsum fließt und ein recht geringer Anteil gespart wird. Durch den steigenden Konsum wiederum fließen erneut Steuern in den Staatshaushalt, z. B. durch die Mehrwertsteuer. Die Konsumgüter müssen auch produziert werden und hierdurch entstehen weitere Arbeitsplätze usw.
Das gleiche Argument lässt sich übrigens auch auf die Seite der AssistenznehmerInnen anwenden. Wird auf eine Anrechnung von Einkommen verzichtet, so bleibt mehr Einkommen der AssistenznehmerInnen für eigene Bedarfe übrig und fließt zu einem Großteil in den Konsum. Außerdem steigt durch eine erhöhte Motivation (durch Aussicht auf ein höheres Einkommen) die Leistungsbereitschaft der auf Assistenz angewiesen Menschen, was ebenfalls für die Volkswirtschaft ein positiver Faktor wäre.
Wir wollen nun die Kosten von persönlicher Assistenz mit den Kosten anderer Hilfeformen vergleichen. Auf persönlicher Ebene wird leider Assistenz oft noch von den Kostenträgern abgelehnt, da im Einzelfall die Kosten einer stationären Unterbringung niedriger sein können. Betrachtet man aber die Summe aller Kosten für alle Hilfeempfänger, so ist zu bezweifeln, dass ein System mit stationärer Versorgung unterm Strich günstiger ist als eines mit konsequent durchgehaltener ambulanter Versorgung. Denn oftmals sind stationäre Hilfen nicht bedarfsgerecht und viele Menschen in Heimen sind auch überversorgt und hier könnten durchaus z. B. mit persönlichen Budgets Mittel eingespart werden. Die hierdurch möglichen Einsparungen könnten verwendet werden, um Assistenz für Menschen mit höherem Hilfebedarf zu finanzieren. Man spricht hierbei auch von Quersubventionierung oder Mischfinanzierung.
In stationären Einrichtungen wird übrigens auch oft Mischfinanzierung angewendet um die pauschalen Kostensätze gering zu halten. Heime können nur deswegen Menschen mit hohem Hilfebedarf versorgen, weil die Kosten, die durch deren Versorgung entstehen durch Einsparungen bei Bewohnern mit niedrigem Hilfebedarf gedeckt werden. Warum soll auf staatlicher Ebene nicht funktionieren, was auf Ebene einzelner Einrichtungen schon immer erfolgreich angewendet wurde?
Ein weiteres Argument, das zeigt, warum der übliche Vergleich der Kosten zwischen stationärer und ambulanter Versorgung nicht im Einzelfall funktioniert, ist, dass Heime oft im Vorfeld schon über Investitionskostenzuschüsse finanziert werden. Rechnet man diese Zuschüsse auf Einzelfälle um, so zeigt sich, dass auch eine stationäre Versorgung vergleichsweise hohe Kosten erzeugt. Einsparungen gegenüber einer ambulanten Versorgung sind so gesehen nur auf Kosten der Hilfeempfänger möglich, indem z. B. die Qualität der Dienstleistung verringert wird oder strukturelle Unterversorgungen bei Menschen mit hohem Hilfebedarf in Kauf genommen werden.
Zum Schluss unserer Betrachtungen wollen wir noch analysieren, wie und auf welcher Ebene die Finanzierung erfolgen könnte.
Die Frage des „wie“ bezieht sich darauf, ob eine Finanzierung durch eine Versicherung oder über Steuern geschehen sollte. Ich möchte mich für eine steuerbasierte Finanzierung aussprechen, denn hier ist der Kreis derer, die die Finanzierung tragen sehr groß und die Finanzierung könnte auf breite Füße gestellt werden. In eine Versicherung würden nur einzelne Personen einzahlen und hier wäre die Frage, wer in den Personenkreis einbezogen wird. Würden nur Arbeitnehmer in die Versicherung einzahlen (wie z. B. bei der gesetzlichen Krankenversicherung), so wäre das sicherlich nicht gerecht, denn auch Freiberufler und Unternehmer etc. können von Behinderung bedroht sein und so potentiell von einem Assistenzleistungsgesetz profitieren.
Die Frage, auf welcher Ebene die Finanzierung erfolgen könnte, bezieht sich darauf, durch welche Stellen und durch welche Töpfe die Finanzierung erfolgt. Momentan besteht das Problem, dass Assistenz oftmals durch Hilfe zur Pflege im Rahmen des SGB XII finanziert wird, wofür zumindest zu 50% die örtlichen Sozialhilfeträger verantwortlich sind. Die Kosten werden also hauptsächlich auf kommunaler Ebene getragen, was teilweise zu großen Engpässen in den Haushalten der Städte und Gemeinden führt.
Gerade Gemeinden mit guter Infrastruktur für behinderte Menschen werden so aber besonders benachteiligt, denn hier leben überproportional viele Hilfeempfänger. Kommunen haben also auf diese Weise keinen Anreiz, Barrierefreiheit zu fördern und ein Leben in der Gemeinde zu ermöglichen – ganz im Gegenteil, sie würden hierfür eher bestraft.
Außerdem ist eine Quersubventionierung von Hilfeempfängern mit hohem Hilfebedarf durch solche, bei denen durch ambulante Versorgung Einsparungen erreicht werden können, auf kommunaler Ebene schlecht möglich, da hier die Fallzahlen zu gering sind und so statistische „Ausreißer“ einen viel höheren Einfluss auf die Gesamtkosten haben. So spricht also alles dafür, die Finanzierung eines Assistenzleistungsgesetz auf möglichst hoher staatlicher Ebene anzusiedeln. Um Kommunen zu entlasten, könnten diese für Hilfeempfänger zuständig bleiben, die einen geringen Hilfebedarf haben – so würden die Einsparungen durch den Übergang stationär auf ambulant an die Kommunen weitergegeben werden.
Als Fazit können wir ziehen, dass ein Assistenzleistungsgesetz sowohl gerecht als auch finanzierbar ist.
Ein selbstbestimmtes Leben würde hierdurch gefördert, genau wie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit würde Rechnung getragen.
Die Finanzierung eines Assistenzleistungsgesetzes ist ohne größere Probleme möglich, die Kosten geringer als üblicherweise geschätzt. Fast die gesamten Ausgaben für eine Assistenzleistung fließen in der einen oder anderen Weise – direkt oder indirekt – zurück in den Staatshaushalt oder in die Sozialversicherungen.
Die Finanzierung sollte durch Steuern auf höchster staatlicher Ebene geschehen, nur so können Effekte wie Mischfinanzierung und Entlastung der Kommunen ausgenutzt werden und die Töpfe wären auf dieser Ebene groß genug. Außerdem ist nur hier ein volkswirtschaftliches Handeln in großen Zusammenhängen möglich.